Aus einer E-Mail eines potentiellen Mandanten:
“Einen Anwalt kann ich mir wegen meines nicht vorhandenen Einkommens nicht leisten. Gäbe es eine Möglichkeit deswegen einen Pflichtverteidiger an meiner Seite zu haben ?”
Einfache Antwort an dieser Stellen: Nein. Zumindest mit dem Einkommen hat die Beiordnung eines Pflichtverteidigers (richtig heißt es übrigens notwendiger Verteidiger) rein gar nichts zu tun. Zwar heißt es in Krimis oft: “Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen auf Staatskosten einer gestellt!”, aber das ist eben nicht die Realität. Die Gründe, in denen ein sogenannter notwendiger Verteidiger beizuordnen ist, sind in § 140 Strafprozessordnung genannt. Klassische Fälle sind der Vorwurf eines Verbrechens, z.B. Raub, Vergewaltigung, Brandstiftung etc. Auch wenn der Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzt, ist die Mitwirkung eines Verteidigers geboten.
Eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers kommt auch wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in Betracht. Wem beispielsweise der Widerruf einer Bewährung bei Verurteilung droht, dem ist unter Umständen ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Komplexe Sachverhalte, sehr viele Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten etc. können ebenfalls dazu führen, dass ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss. Die Rechtsprechung zu diesem Bereich ist sehr umfangreich und nicht eben beschuldigtenfreundlich. Gerade in Jugendstrafsachen tun sich die Gerichte oft sehr schwer und ordnen eher keinen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bei.
Generell sind die Gerichte außer in den eindeutigen Fällen ziemlich zurückhaltend. Klar, die Kohle muss zusammengehalten werden und soll nicht aus dem Fenster geworfen werden. Im Falle einer Verurteilung muss der Verurteilte zwar die von der Staatskasse zunächst an den Strafverteidiger gezahlten Pflichtverteidigergebühren zahlen, vielfach wird das aber nicht passieren.
Generell lässt sich sagen, dass bei Alltagsvorwürfen wie Diebstahl, Betrug, Unfallflucht etc. ein Pflichtverteidiger sehr wahrscheinlich nicht in Frage kommt und der Anwalt selbst bezahlt werden muss. In Fällen, in denen eine Beiordnung in Betracht kommt, wird Ihr Strafverteidiger dies entsprechend beantragen. Einen generellen Tipp von mir zum Thema Pflichtverteidigung finden Sie hier.