Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian E. muss sich laut Pressebericht in der Zeit wegen Besitzes von Kinderpornografie vor Gericht verantworten.
“Das Landgericht Verden ließ die Anklage zu, der erste Verhandlungstermin wurde für den 23. Februar angesetzt,teilte das Gericht mit. Danach sind zunächst weitere acht Termine geplant.
Die Anklage wirft Edathy vor, zwischen dem 1. November 2013 und dem 12. Februar 2014 sieben Mal über seinen Internetzugang mithilfe eines dienstlichen Laptops kinderpornografische Bild- und Videodateien heruntergeladen zu haben. Zudem soll er auch einen Bildband und eine CD besessen haben, deren Inhalt von der Staatsanwaltschaft als jugendpornografisch eingestuft wird.”
(Quelle: www.zeit.de)
Ungewöhnlich ist, dass Anklage zum Landgericht erhoben wurde. Es droht hier eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahre oder eine Geldstrafe (vgl. § 184 b StGB und § 184 c StGB). In vergleichbaren Fällen wird Anklage zum Amtsgericht erhoben. Hier hat sich das Landgericht in Verden aber wegen der besonderen Bedeutung des Falles für zuständig erklärt.
“Als Begründung nannte das Gericht Edathys Position als Parlamentarier, seine prominente Rolle als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses sowie das außerordentliche Medieninteresse an seinem Fall. Bei der Entscheidung fiel laut dem Gericht auch ins Gewicht, dass die Taten über Dienstcomputer Edathys begangen wurden. Zudem sei ein Bundesminister wegen des Verfahrens zurückgetreten.”
(Quelle: www.zeit.de)
Die Kommentare auf der Internetseite der Zeit sind teilweise abscheulich. Bei kaum einem anderen Delikt sind Vorverurteilungen so an der Tagesordnung. Die Unschuldsvermutung wird oft auch in der Presse ignoriert. Bei kaum einem Delikt stehen die zu erwartende Strafe und die gesellschaftlichen Folgen so außer Verhältnis wie bei Besitz von kinderpornografischen Schriften.
Für alle möglichen Straftaten hat der Mensch am Stammtisch Verständnis, aber Kinderpornografie geht gar nicht. Schlimmer ist eigentlich nur sexueller Missbrauch von Kindern.
Das Gericht hat verlauten lassen, dass bei Herrn E. eine Strafe im unteren Bereich in Betracht kommen dürfte. Letztlich wird – eine Verurteilung vorausgesetzt – möglicherweise eine Geldstrafe auf den Angeklagten zukommen. Die Existenz ist aber zerstört.
Die Kommentare auf Internetseiten von Zeitungen, Youtube, Facebook, etc kann man ebensowenig ernst nehmen, wie die meisten Shitstorms.
Immerhin finde ich es nett von den Leuten, so öffentlich darzustellen wie unterbelichtet sie sind.
Ich frage mich zudem, welches Programm das Gericht für die bisher neun Verhandlungstage vorgesehen hat. Richtete sich das Verfahren nicht gegen einen prominenten Politiker, sondern gegen einen “Normalbürger”, wäre es wohl eher eines von neun Sachen auf der täglichen Terminsrolle des Strafrichters geworden.
Ja. Oder ein Strafbefehl..oder – bei viel Dusel und so – ein § 153 a StPO.
Heute habe ich gerade eine Einstellung eines Verfahren, das aus der Operation “Spade” resultiert aus dem Kasten gefischt. Ich wollte § 170 Abs. 2 StPO, es gab einen § 153 StPO.
Ob die Operation so eine Riesenerfolg war….??
Was angesichts der Tatvorwürfe und der bisher schon eingetretenen Folgen – mit etwas Abstand betrachtet – auch eine angemessene Reaktion wäre. Immerhin enthält die Anklageschrift, soweit man das der Presse entnehmen kann, “nur” Tatvorwürfe, deren Strafrahmen denjenigen des Zeigens eines ausgestreckten Mittelfingers (bis 2 Jahre oder Geldstrafe) nicht übersteigt. Und davon nicht gerade viele. (Ich frage mich immer: Wie viele Diebstähle begeht jemand, der eine Packung Duplo klaut, aber das ist ein anderes Thema)
Ich glaube kaum, dass irgendjemand, dessen bürgerliche, wirtschaftliche und private Existenz auf ewig (Google vergisst auch in 30 Jahren nicht) vernichtet wurde, bevor es überhaupt zur Anklage, geschweige denn zu einem Urteil kam, auch noch zwingend mit einer Geldstrafe im unteren vierstelligen Bereich zu belegen ist, weil nur das ihn (oder andere) von der Begehung weiterer Straftaten abhalten kann.