Heute war ich mal unterwegs in Sachen Nebenklage. Es ging um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern, der Angeklagte bestritt die Tat. Ein im Ermittlungsverfahren eingeholtes Glaubhaftigkeitsgutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Angaben meiner minderjährigen Mandantin glaubhaft seien. Zu der Hauptverhandlung war die Sachverständige natürlich geladen.
Im Gerichtssaal mal wieder bis auf den Verteidiger reine Frauenbesetzung, aber das nur am Rande. Der Angeklagte erschien nicht. Das Gericht hätte ihn nun gem. § 230 Abs. 2 StPO vorführen lassen können oder auch einen Haftbefehl erlassen können, man hat sich aber für den Erlass eines Strafbefehls entschieden.
Ein wenig Diskussion fand statt, was den angemessen sei. Die angeklagten Vorwürfe liegen drei Jahre zurück, der Angeklagte war nicht einschlägig vorbestraft. Letztlich kamen 10 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung heraus. Zwei Jahre Bewährungszeit. Ein Ergebnis, dass ich selbst als Vertreterin der Nebenklage nicht als zu milde bezeichnen kann. Meiner Mandantin bleibt – sofern kein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird – eine Aussage vor Gericht erspart, was zu begrüßen ist.
Die Sachverständige hat die Sache mit dem Strafbefehl mitbekommen, als Psychologin wusste sie das aber nicht recht einzuordnen. Die Staatsanwältin erklärt ihr, was ein Strafbefehl ist und das es nun kein rechtskräftiges Urteil gäbe und wir uns gegebenenfalls alle noch einmal sehen werden.
Die Sachverständige nickt, schaut mich an und fragt erwartungsvoll:
“Und wie viel Jahre hat er nun bekommen?”
Oha. Da hätte die Dame mal besser die Nebenklage vertreten, wenn solche Strafen als angemessen angesehen werden.
Ich habe meiner Mandantin und ihrer Mutter von Beginn an gesagt, dass angesichts der Gesamtumstände eine Haftstrafe nicht zu erwarten ist. Realistische Einschätzungen finde ich wichtig, mein Antrag hätte sich auch in diesem Bereich bewegt. Vor der nächsten Nebenklage esse ich etwas mehr Chili, das bringt dann etwas Schärfe rein.
P.S. Ich nehme die Anregung des Kommentators auf. Es ging um Anfassen eines Kindes an der Brust und einen Kuss. Die zweite Tat war als versuchter sexueller Missbrauch angeklagt. Also KEIN Geschlechtsverkehr. Der Angeklagte nicht einschlägig vorbestraft. Insgesamt nach meiner Erfahrung ein Urteil, dass für Hamburger Verhältnisse “normal” ist.
Ohje das Glaubhaftigkeitsgutachten… Wenn denn tatsächlich mal starke Abweichungen im Kerngeschehen von der Zeugin/dem Zeugen geschildert werden kommt gerne der Standardeinwand: Das der Vorfall jetzt (in der HV) ganz anders geschildert wird, muss ja nicht heißen er hat nicht auch (zusätzlich) so stattgefunden. Also eigentlich auch egal was ausgesagt wird- es stimmt sowieso. Da kann man sich das mehrere Tausend Euro teure Gutachten gleich sparen.
Und die “Unvoreingenommenheit” hat die SV hier ja eindrucksvoll durch Ihre Bemerkung dokumentiert….
Ist reine Frauenbesetzung eigentlich schlimm?
Als Angeklagter in einer Sexualstrafsache wäre mir zumindest etwas mulmig.
Tja, dann müssen wir für die Justiz ein paar Männer zwangsverpflichten.
Männerquote. Warum nicht.
Vielleicht etwas Näheres zu den Tatmodalitäten, bevor der Shitstorm über viel zu lasche Strafen in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern losgeht?
Anregung aufgenommen.