Mord und Totschlag – Reformbedarf
Am Wochenende war ich – wie viele Kollegen auch – auf dem 39. Strafverteidigertag in Lübeck. Interessant war nicht alles, auch wenn ich mit meiner Arbeitsgemeinschaft “Rollenverhalten in der Hauptverhandlung” sehr zufrieden war. Im Gegensatz zu den anderen Arbeitsgemeinschaften sind wir rumgelaufen, haben gebrüllt und geflüstert, uns ans Knie gefasst und sind die Luft gesprungen. Wer jetzt nörgelt, der mag halt meckern. Es geht hier um ein anderes Thema:
Bei dem Abschlussvortrag ging es um die Reform der Tötungsdelikte, der Kollege Nebgen hat dazu schon etwas geschrieben. Die Referenten waren sich einig, dass eine Reform erfolgen muss. Über Kleinigkeiten kann man sich trefflich streiten. Die Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zu der Reform der Tötungsdelikte finden interessierte Blogleser hier.
Interessant fand ich, was der Vorsitzende einer Schwurgerichtskammer zu dem Mordparagrafen und der lebenslangen Freiheitsstrafe sagte. Sinngemäß meinte er, dass Richter allerlei Anstrengungen unternähmen, wenn ihnen die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe unangemessen erschiene. Ziel ist dann also gegebenenfalls, doch nur zu einem Totschlag und nicht zu einem Mord zu kommen.
Für die Schöffen scheint allerdings klar zu sein: Wenn ein Mensch tot ist, dann ist es immer Mord. Der Referent meinte:
“Die Schöffen sagen dann: Verstehe ich nicht, der hat den doch umgebracht, das ist doch Mord!”
Auch bei den ehrenamtlichen Richtern herrscht also eine krasse Fehlvorstellung. Habe ich eine Leiche, dann habe ich also zwangsläufig auch einen Mörder. Und der gehört lebenslang hinter Gitter. Ganz einfach. Bauchschmerzen haben nur die Juristen, die ahnen, dass die lebenslange Freiheitsstrafe ab einem gewissen Zeitpunkt keine Strafe mehr ist, sondern eine Art Sicherungsverwahrung. Dabei werden die meisten Menschen, die jemanden getötet haben, nicht mehr rückfällig werden. Weniger als ein Prozent der wegen eines Tötungsdeliktes verurteilten Menschen werden erneut mit einem Tötungsdelikt rückfällig (vgl. Studie des BMJ).
Im Spiegel klingt das etwas gefährlicher. 18% der wegen Mordes oder Totschlag verurteilten Personen wurde erneut bestraft. Weswegen sagt uns der Spiegel in dieser Datenlese nicht. Im Referendariat hatte ich als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft mal einen wegen Mordes verurteilten Mann, der mit einem frisierten Mofa unterwegs war.
Ein Rückfall in die Straffälligkeit, mit dem unsere Gesellschaft wird leben können.
Der deutsche Mord war für uns österreichische Juristen immer schon etwas gewöhnungsbedürftig. Im öStGB zB heißt es “Wer einen anderen tötet [begeht einen Mord und] ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.”, ganz ohne Heimtücke & Co. Die Strafzumessung überlässt man dann eben, im Rahmen der üblichen Milderungs- und Erschwernisgründe, dem Gericht.
Wenn es keinen Mord mehr gibt, machen wir doch eine ganze Krimiindustrie arbeitslos und die Abende auf dem Fernsehsofa werden langweilig. Wollen wir das?
Mir egal, habe keinen Fernseher.
Schöffen in Schwurgerichtskammern sollten zuvor mindestens eine Amtsperiode als Schöffen absolviert haben. Ferner sollten sie eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung vorweisen können. – Für die Hauptverhandlung müsste man ihnen die Texte der angeklagten StGB-Vorschriften ausdrucken und zur Verfügung stellen.