Über eine grundsätzlich gute Idee berichtet die “Zeit” hier. Studenten der Bucerius Law School beraten mittellose Menschen, die Rechtsprobleme haben.
“In dem kleinen Raum zwischen den Messehallen und Planten und Blomen prallen an diesem Abend Welten aufeinander. Hinter der Tür mit der Aufschrift “Law Clinic” trifft ganz oben auf ganz unten: angehende Top-Juristen der Bucerius Law School versuchen Menschen zu helfen, die nichts mehr zu verlieren haben. Und lernen dabei, wie machtlos die Waffen des Rechts sein können.
Mohammed blickt auf den Tisch. Er versteht kein Wort. 2012 ist er nach Deutschland gekommen, aber er spricht immer noch kein Deutsch. Eigentlich müsste er in Mecklenburg-Vorpommern sein, wo er als Flüchtling gemeldet ist. Aber in Hamburg kennt er wenigstens ein paar Leute, deswegen lebt er hier – auf der Straße. Ein Flüchtlingsberater hat ihn hierher geschickt, ein Freund ist zum Übersetzen mitgekommen. Mohammed möchte lesen und schreiben lernen, erzählt der. Ein Alphabetisierungskurs würde 240 Euro kosten. So viel Geld hat Mohammed nicht. Er brauchte einen Job, um es zu verdienen. Doch das ist kompliziert, wenn man nicht lesen kann – und illegal ist.”
(Quelle: www.zeit.de)
Das glaube ich sofort. Hier stoßen auch gestandene Anwälte an ihre Grenzen, denn es geht um praktische Fragen. Häufig bieten die Studenten aber Hilfe.
“Oft können die Studenten der Bucerius Law School viel für die Ratsuchenden tun: Anträge schreiben, Klagen formulieren, übersetzen. Wie für die Brasilianerin, die ebenfalls für diesen Abend einen Termin bekommen hat. Sie macht sich Sorgen um ihren Aufenthaltsstatus. Ein Blick in die Papiere, schon ist offensichtlich, dass sie gute Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht hat. Außerdem erfährt sie, dass sie Unterhaltsansprüche gegen ihren Exmann geltend machen kann. Geholfen haben die Studenten kürzlich auch einem Mann aus Osteuropa, der kellnerte. Zwei Monate lang bekam er von seinem Chef kein Gehalt und flog dann ganz aus seinem Job. Sie erreichten eine gütliche Einigung.”
(Quelle: www.zeit.de)
Wer in Hamburg kein Geld, aber ein Rechtsproblem hat, kann sich im Übrigen auch an die Öffentliche Rechtsauskunft wenden. Dort beraten (ehemalige) Richter und Rechtsanwälte.
Die Rechtsanwälte sind oft Fachanwälte, die in Ihrem jeweiligen Gebiet beraten. Ich habe dort lange im Strafrecht beraten.
Einerseits ist diese Initiative eine gute Sache. Jedenfalls die Studenten lernen. Andererseits stehe ich dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber, weil es in der BRD, anders als etwa in den USA als Herkunftsland von law clinics, an sich ein flächendeckendes System zur Unterstützung mitteloser Bürger schon gibt. Jedenfalls vom Grundsatz her gibt es für mittellose Rechtssuchende grundsätzlich Beratungshilfe sowie später ggf. Prozess-/Verfahrenskostenhilfe, damit sich jeder von einem ausgebildeten Rechtsanwalt beraten lassen können. (Mir ist auch klar, dass sich manche RAs vor Beratungshilfemandaten drücken und es durchaus unterschiedliche Kompetenz für unterschiedliches Geld gibt). Damit sollte aber ja nun eigentlich ein Zweiklassenrechtssystem verhindert werden, in dem mittellosen Bürgern nichts anderes übrig bleibt, als auf das Lücken kompensierende Engagement von angehenden Juristen zu hoffen, weil sie für die “Experten” nicht genug Geld haben (zumal es in Hamburg offenbar auch andere begrüßenswerte Initiativen gibt). Jedenfalls sollte sichergestellt werden, dass alle Rechtsberater zumindest zwei Staatsexamen als Minimum an Kompetenz haben. Wenn die künftigen Juristen der Bucerius Law School – trotz ggf. Anleitung durch RAs, Richter oder Profs (mit unterschiedlichen Vorkenntnissen bezüglich Strategie und Praxis beratender Tätigkeit) und unter Berücksichtigung ihrer sicherlich über dem studentischen Durchschnitt liegenden Fachkenntnisse – einmal Fehler machen, was bei Anfängern häufiger mal passieren kann als bei erfahrenen Anwälten, kann das aber je nachdem, was auf dem Spiel steht, ganz schön ins Auge gehen… und dann gibt es nicht mal einen (theoretischen) Haftungsanspruch des gekniffenen “Mandanten”. Auf der anderen Seite ist die Hemmschwelle für den rechtsuchenden Bürger, für den die “Rechtsantragsstelle” als Ort für die Beantragung von Beratungshilfe ein einziger Hort des Schreckens ist (etwa, weil er illegal hier ist), wahrscheinlich deutlich geringer. Und als “Schreibmaschine” und Formulierungshilfe sowie als Anlaufstelle für immer dieselben praktischen Fragen werden die fleißigen Jurastudenten sicherlich für viele Ratsuchende unschätzbare Hilfe leisten. Es bleibt aber dennoch zu hoffen, dass die Studenten jedenfalls dann, wenn sie nicht mehr weiter wissen, die Reißleine ziehen und dann doch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsanwälten und Beratungshilfe verweisen.
Hallo Justalinchen, in HH gibt es keine Beratungshilfe, sondern die öffentliche Rechtsauskunft. 29000 Beratungen im letzten Jahr. Man plant auch wieder in Flüchtlingsheimen zu beraten.
Das Beratungshilfegesetz ist ein Bundesgesetz, sollte also jedenfalls in Zivilsachen auch in HH gelten.;). Sie haben aber trotzdem recht: Beratungshilfe gibts nur dann, wenn es keine ausreichende sonstige karitative Rechtsberatung gibt, also in HH etwa die offenbar sehr nachgefragte Öffentliche Rechtsauskunft (gibt’s bei uns nicht). Fraglich aus meiner Sicht trotzdem, ob auf lange Sicht durch Angebote wie studentische Rechtsberatung der Rechtsstaat eher ausgehöhlt(2-Klassen-Vertretung, die außerdem Anwälten die Arbeit wegnimmt, dies aber letztlich zum Wohle des Staatssäckels) oder unterstützt wird. Bedarf für die öffentliche Rechtsauskunft scheint es ja genug zu geben. Bei denen drängen sich aber die Bauchschmerzen von wegen Wissen und Erfahrung nicht ganz so auf… und man fragt sich, ob die zusätzliche studentische Rechtsberatung tatsächlich nötig und sinnvoll ist, wenn es schon die Öffentliche Rechtsauskunft gibt.